Treffen mit Bertha

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Ein Blick auf den Wecker. Es ist Neun! Wer könnte das sein? Stimmt, der Kaminfeger. Den hab ich total vergessen. Ich gehe zur Tür: „Komme gleich!“ Ziehe mir schnell den Arbeiteroverall über den Pyjama an. Spritze Wasser in mein Gesicht. Trockne ab. Bereit.

Kamine müssen gereinigt werden. Corona Hin oder Her. Irgendwie beruhigend. Trinke meinen Kaffee im Atelier. Mein Blick fällt auf die Masken mit dem goldenen Glimmer. Was war das gestern? In Gedanken tauche ich meine Hand abermals in Glimmer. Fühle mich von der Maske beobachtet. Nichts passiert.
Die geformten Coronamasken vom Vorabend sind trocken. Schneide den Rand ab und löse sie von der Form. Heute Abend möchte ich Bertha treffen.

Wir treffen uns in meinem japanischen Lieblingsrestaurant in Aroleid. Wie immer bin ich einige Minuten zu spät. Erkenne Bertha von weitem. Nur jeder zweite Tisch ist belegt. Für einmal sehr geräumig. Ich bestelle meine Tantanmen Ramen. Bertha braucht etwas Unterstützung bei der Menuwahl. Nach ihrem ersten schlürfenden Happen strahlen ihre Augen. „Zu viel versprochen?“ Sie schüttelt ihren Kopf. „Köstlich, manchmal vermute ich, dass ich in der falschen Zeit geboren bin.“ „Ich führe dich gerne ins 21. Jahrhundert ein.“ Lachend schlürfen wir eine weitere Portion Nudeln genüsslich in den Mund.
Beim Umeshu angelangt, hole ich meine vielversprechenden Coronamasken hervor. Lege sie auf den Tisch. „Ich bin weitergekommen.“ „Das sehe ich.“ Bertha nimmt die goldene Maske vorsichtig in die Hand. Dreht sie um.

„Ist das jetzt ein Virenstoff?“ „Genau, dieser Stoff soll sogar die Trägerin vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus schützen. Und schau hier,“ ich drehe die Maske wieder um, „damit man genügend Luft bekommt, habe ich grosse Nasenlöcher und den Mund ausgeschnitten.“ Bertha setzt sich die Maske auf. „Das funktioniert, ich kann sogar atmen!“ lacht sie. Erleichternd lehne ich mich auf dem Stuhl zurück.
„Da ist noch etwas, was ich dir erzählen möchte. Erinnerst du dich an den goldenen Glimmer? Weisst du woher der kommt?“ Sie nimmt einen Schluck Umeshu. „Äh, ja. Ich erinnere mich an Glimmer. Wir hatten zwei Fässer davon und wussten nicht wohin damit. Keine Ahnung woher wir ihn hatten. Da musst du vielleicht mal bei Dominik nachfragen. Hast du immer noch davon?“ Ich nicke. Erzählte ihr was ich gestern mit den Glimmerfunken erlebt hatte.
Bertha schaut lange aus dem Fenster. Dann lange auf ihre Finger. Schliesslich blickt sie mir direkt in die Augen. Ein kleiner Schauer durchfährt mich von den Schultern bis zum Kreuz. „Das hätte ich nie gedacht, dass ich noch einmal mit dieser Geschichte konfrontiert werde.“