Einladung zum fasnächtlichen Maskentanz in Aroleid

Arbeitsalltag, Im Atelier der Drückerin, Maskenhistorie

Die Maskenfabrikantin Bertha Schupp-Kromer (1875-1961) hatte bei unserem Treffen die Idee geäussert, gemeinsam mit allen vergangen Maskenfabrikantinnen Fasnacht zu feiern. Ein Fest der Vereinigung so quasi, dass sich schliesslich in Flammen auflösen wird. Mir gefällt die Idee. Gestern habe ich allen Beteiligten dieser Recherche eine Einladung für den fasnächtlichen Maskentanz geschickt.

Wir werden alle die Hudi-Maske (Nüsseln und Integrieren) tragen. Die gelbe Maske hat markante Gesichtszüge. Eine steile und spitze Nase. Vorstehendes Kinn mit Warzen. Rote Lippen mit zwei grossen weissen Zähnen, zwischen denen oft eine brennende Brissago steckt. Das weibliche Kostüm im Biedermeierstil mit Hut, Schirmchen und Korb wirkt neben der hexenartigen Maske und in dem kräftig gebauten Körper aufgesetzt und einengend. Das Kostüm scheint die gesellschaftliche Sicht von Weiblichkeit zu spiegeln. Das Hudi mit der lauten Sprache und dem kräftigen und markanten Aussehen vermag diese konstruierte Weiblichkeit zu sprengen. Das Hudi wird folglich als eine alte unsympatische Frau, oder auch Rätschwiib genannt, beschrieben. Es redet und klatscht gerne über andere. Das Hudi wird mehrheitlich von Männern getragen.

Hudi Maske, Fotografie aus dem Buch MASKEN von Heiri Scherer, NZZ Libro, 2019

Mir gefällt die Vorstellung, dass das Hudi, was schon der sachliche Artikel beschreibt, weder Frau noch Mann ist, sondern ein Mensch mit einer grossen Willenskraft, Dinge auszusprechen, die nicht immer gerne gehört werden. Dank der lauten und starken Stimme wird gehört, was das Hudi zu sagen hat. Mit dieser Art sprengt das Hudi gesellschaftliche Normen. Eckt an und wird kurzerhand als wichtigtuerisches Rätschwiib abgestempelt.

Über die Herkunft des Hudi ist nicht viel bekannt. Diese Tatsache bietet die Möglichkeit, dem Hudi selbst eine Geschichte zuzuschreiben.
Indem wir Maskenfabrikantinnen in die Rolle des Hudis schlüpfen, werden wir zu redseligen und unterhalsamen Personen, die kein Blatt vor dem Mund halten und laut aussprechen, was wir denken. Ich kann mir vorstellen, dass die gesprächige Leichtigkeit ein befreiendes Gefühl auslösen kann. Gleichgültig was die Leute sagen werden.
Im Gegenzug wird das Hudi, die Figur des Rätschwiibs, zur Figur der Maskenfabrikantinnen, die seit hundertfünfzig Jahren Masken herstellen und in ihren Werkstätten viel Klatsch und Trasch zu Ohren bekommen. An der jährlichen Fasnacht haben wir, die Maskenfabrikantinnen, dann endlich die Möglichkeit, in der Rolle des Hudis all unsere gehörten Geschichten unter den Leuten zu integrieren (Nüsseln und Integrieren).

Jetzt gilt es als Erstes, gemeinsam am Maskentanz in Aroleid teilzunehmen und die Rolle des Hudis, in der wir gemeinsam unsere Geschichte erzählen, zu unserer zu machen.

*Beitragsbild, zwei Hudis, Fotografie von Alexandra Wey aus dem Buch MASKEN von Heiri Scherer, NZZ Libro, 2019