Besuch im Moulagenmuseum Zürich

Archivierungsfrage, Maskenherstellung, Maskenhistorie

Im Beitrag Kunst und Handwerk, Dominik Kälin – Teil 4 hat mir Dominik Kälin (1841-1909) erzählt, dass vor seiner Zeit in Paris die Wachsmasken von Adelrich Oechslin (1823-1872) schwerer und dicker waren. In der Sammlung Chärnehus in Einsiedeln ist eine solche Maske archiviert.
Meine Kontaktperson A.B.* erlaubte mir, diese Maske nach Zürich ins Moulagenmuseum zu bringen. Dort habe ich mich mit der Moulageuse S.C.* verabredet. Ich bin interessiert, was sie mit ihren Fachkenntnissen zu dieser Maske sagen wird.

Wachsmaske von Adelrich Oechslin (1823-1872), Sammlung Chärnehus, Einsiedeln, um 1850

S.C. ist sehr erfreut über meinen Besuch und fasziniert von der Maske. Dieser Maskenart ist sie zuvor noch nie begegnet. Als ich die Maske mit blossen Händen aus der Schachtel herausnehmen will, schreit S.C. entsetzt auf. Holt Handschuhe und reicht sie mir. Die Maske wird auf ein Kissen gebettet und mit viel Liebe unter der Lupe betrachtet. Die ruhigen, konzentrierten Bewegungen spiegeln den Respekt wieder. Ich spüre den Wunsch ebenfalls mit dieser Sorgfalt und Genauigkeit zu arbeiten. Ich spreche mit der Moulageuse über die Möglichkeit, solche Masken mit meiner Formensammlung herzustellen. „Das wäre sicher sehr interessant. Ich kann dir gerne zeigen, wie wir den Wachs bemalen, sodass er menschlich wirkt.“ Ihr Blick wandert wieder zu der Maske. „Hier diese Härchen wurden alle einzeln eingezogen.“ Sie deutet auf die Augenbrauen.
„Wahnsinn wie echt diese Maske aussieht, fast wie eine Totenmaske.“

Wachsmaske von Adelrich Oechslin (1823-1872), Sammlung Chärnehus, Einsiedeln, um 1850

„Das Besondere hier ist, dass diese Maske tatsächlich getragen wurde. Das macht sie sehr wertvoll.“ Die Maske in den Händen: „Am Rand ist sie erstaunlich dünn. Ich glaube, sie wurde gegossen.“
„Das möchte ich wahnsinnig gerne herausfinden. Ein weiteres Projekt für nach der Fasnacht.“ Ich lache.
„Das wird dauern. Ich kann dich gerne dabei unterstützen. Unsere Rezeptur geben wir nicht einfach so ausser Haus, aber in einem solchen Fall finden wir bestimmt eine Lösung.“
„Vielen Dank für das Angebot. Ich bin dabei. Als Gegenleistung kann ich dir gerne mein Wissen über Wachs und die Herstellungsart meiner Masken anvertrauen. Ich kenne die Schwierigkeit im Umgang mit einer altüberlieferten Rezeptur. Sätze wie: ‚Können Sie mir nicht zeigen wie das geht, dann kann ich zu Hause selbst welche herstellen.‘ Meine Antwort darauf ist dann jeweils: ‚Das ist eine alt überlieferte Rezeptur, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt ist.‘ Das ist jeweils ein harter Schlag, der sich in einem überraschten Blick äussert.“
„Dann weisst du ja von was ich spreche.“
„Genau. Und weiss dein Angebot sehr zu schätzen.“

S.C. geht in ein Kämmerchen und kommt mit einem kleinen Wachsblock wieder. Sie setzt sich an einen fein säuberlich aufgeräumten Arbeitstisch und öffnet einige Döschen.
„Komm, ich zeige dir mal die ersten Schritte.“ Ihr Pinsel taucht in ein Glas. Bemalt anschliessend das Wachsstück. Diese Bewegung wird einige Male wiederholt.
„Schau, hier verändert sich ganz wenig die Oberfläche.“
Meine Augen starren den Wachsklotz an. Eine kleine Veränderung kann ich erahnen.
„Wahnsinn, wieviele Arbeitsschichten es benötigt, bis die Oberfläche ein hautähnliches Aussehen bekommt.“ Sie lächelt.
„Ich weiss. Viele Leute können die Geduld dafür nicht aufbringen.“
„Ich glaube, dass ich es einfach mal ausprobieren muss.“
„Das denke ich auch. Du spürst schnell, ob dir die Arbeit liegt.“

Wir unterhalten uns noch etwas über Wachs. Es ist schön mit jemandem das Wissen zu teilen.
Zu Hause schaue ich mir eine Negativgipsform an. Ich glaube, dass ich sie tatsächlich auch dazu benutzen könnte, eine Maske aus Wachs zu giessen. Ich stelle die Form zurück ins Regal: „Ein anderes Mal.“ denke ich laut.

*Der vollständige Namen ist der Drückerin bekannt.
**Beitragsbild, Wachsmaske von Adelrich Oechslin (1823-1872), Sammlung Chärnehus, Einsiedeln, um 1850